Flucht vor der Polizei kann ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen sein
LG Osnabrück, 01.03.2021 – Az: 13 Ns 16/20
Flieht ein Verkehrsteilnehmer mit seinem Pkw vor einem Streifenwagen, um einer Polizeikontrolle zu entgehen, kann dies den Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens erfüllen.
Der Angeklagte fuhr am Abend des 10. Januar 2020 mit seinem Kleinwagen durch eine Gemeinde im Emsland. Dort fiel er durch seine Fahrweise einer Polizeistreife auf. Er hatte jedoch nach eigenen Angaben mit einem Freund gewettet, dass er sich nicht erneut von der Polizei anhalten lassen würde, nachdem er schon einige Tage zuvor kontrolliert worden war. Der Angeklagte fuhr deshalb mit hoher Geschwindigkeit durch den Ort davon. Obwohl der Streifenwagen bis auf 130 km/h beschleunigte und Anhaltesignale gab, mussten die Beamten schließlich die Verfolgung abbrechen, um keine unbeteiligten Dritten zu gefährden.
Die zuständige 13. Kleine Strafkammer wertete dabei die Flucht des Angeklagten als Teilnahme an einem tatsächlichen Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB. Somit ist die Kammer zu einem anderen Ergebnis als die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht gekommen. Beide hatten kein tatsächliches Rennen angenommen, sondern die Flucht des Angeklagten rechtlich als verkehrswidrige und rücksichtslose Fortbewegung im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, also quasi als ein „simuliertes Rennen“ ohne zweiten Teilnehmer eingeordnet.
Entscheidend für das Vorliegen eines Rennens ist ob, ein Wettbewerb oder eine Leistungsprüfung vorliegt. Die Polizeiflucht sei laut Kammer vergleichbar mit einem klassischen Rennen. Der Wettbewerbscharakter also das „Ziele” bestehe in der erfolgreichen Flucht. Die Polizeiflucht berge daher dieselben Risiken wie ein verabredetes oder spontanes Rennen mehrerer Kfz aus falsch verstandenem „sportlichem Ehrgeiz”. Es entspreche deshalb dem gesetzgeberischen Willen und auch dem Wortlaut des Gesetzes, die Polizeiflucht als nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen einzuordnen. Um an einem Kraftfahrzeugrennen teilzunehmen, erfordert es keine vorherige Absprache oder Organisation oder eine bestimmte Strecke. Erfasst ist vielmehr jede „Tätigkeit derjenigen Kraftfahrzeugführenden, die untereinander den Geschwindigkeitswettbewerb austragen” (BT-Drucks., a.a.O. S. 5). Irrelevant ist dabei auch, dass nur ein Teilnehmer rechtswidrig handelte. Vielmehr wird die Tat durch das rechtswidrige Handeln des Angeklagten geprägt. Gestützt wird diese Argumentation durch die zivilrechtliche Rechtsprechung, denn dort haftet der Fahrzeugführer unter dem Gesichtspunkt des Herausforderns verschuldensabhängig nach § 823 Abs. 1 BGB für einen bei der Verfolgung eintretenden Sachschaden an den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen, weil der Fliehende durch vorwerfbares Tun einen anderen zu selbstgefährdendem Verhalten herausfordert. Demnach werden Flucht und Verfolgung haftungsrechtlich zu einem von der Rechtsordnung missbilligten Lebenssachverhalt verknüpft.
Das Vorliegen einer Gefährdung im Straßenverkehr gemäß § 315c Abs. 1 StGB verneint die Kammer allerdings, da nicht feststellbar ist, dass es zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert gekommen ist.
Quelle: LG Osnabrück, Urteil vom 22. Februar 2021 – 13 Ns 16/20 –, juris