Vereinsverbot Hells Angels
BVerwG 6. Senat Entscheidung vom 29.01.2013 zu Az. 6 B 40/12
Die verwaltungsgerichtliche Ermittlung von Daten im Rahmen der Überprüfung eines Vereinsverbots hat genügende gesetzliche Grundlagen in den allgemeinen verwaltungsprozessualen Bestimmungen und in speziellen Ermächtigungen.
Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Er ist Teil der „Hells Angels“- Bewegung. Durch Verfügung vom 21. April 2010 stellte das beklagte Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein fest: Der Zweck und die Tätigkeit des Klägers liefen den Strafgesetzen zuwider. Der Kläger richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Er sei deshalb verboten und werde aufgelöst. Das Vermögen des Klägers sowie näher bezeichnete Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen.
Auf die Klage des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht die Verfügung insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, der Kläger richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen: In formeller Hinsicht sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte unter Hinweis auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ von einer vorherigen Anhörung des Klägers abgesehen habe. In materieller Hinsicht sei die Verfügung rechtmäßig, soweit der Beklagte sie auf den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit gestützt habe. Eine strafgesetzwidrige Zwecksetzung und Tätigkeit des Klägers lasse sich allein schon aus der Zurechnung einer Straftat seines damaligen Präsidenten ableiten, wegen der ihn das Landgericht Flensburg durch rechtskräftiges Urteil vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehrin Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt habe. Bei der Tat habe es sich um einen organisierten Angriff auf ein Mitglied der mit dem Kläger rivalisierenden Rockergruppe der „Bandidos“ gehandelt. Ihr komme nach Anlass und Ausführung sowie mit Rücksicht auf die herausgehobene Position des Täters in seiner Funktion als Vereinspräsident eine den Kläger prägende Funktion zu. Hinzu träten weitere, dem Kläger zurechenbare Straftaten von Vereinsmitgliedern, unter anderem Verstöße gegen das Waffenrecht. Das Vereinsverbot erweise sich auch dann als rechtmäßig, sofern es mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als ultima ratio lediglich dann angewendet werden dürfe, wenn – was hier der Fall sei – mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen oder ausgeschöpft seien. Gegen die Übermittlung und Nutzung von Daten aus Strafverfahren sowie von solchen Daten, die Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert hätten, bestünden keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Der Beklagte könne sich als Behörde der Gefahrenabwehr insoweit auf die §§ 177 ff. LVwG stützen. Soweit Daten aus Strafverfahren an den Beklagten weitergeleitet und von ihm ausgewertet worden seien, lägen die Voraussetzungen einer Datenübermittlung und -verwendung gemäß § 481 StPO vor, der auf das Landesverwaltungsgesetz als Polizeigesetz verweise. Selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Befugnisse zur Datenverarbeitung im Zusammenhang mit Vereinsverboten erforderlich sein sollte, bestehe kein Verwertungsverbot für die personenbezogenen Informationen, die der Beklagte aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr erlangt habe.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Weiter a.a.O.